Verurteilen & bewerten

von Renate Neuhold

Manchmal ist es um unser Selbstbewusstsein nicht sehr gut bestellt. Wir fühlen uns gar nicht liebenswert und wunderbar, sondern klein und unscheinbar, durchsichtig und verletzlich. In solchen Momenten kann es durchaus sein, dass man in Gedanken und Worten über andere Menschen und deren Verhalten urteilt.

 

Frei nach dem Motto „… die ist ja soooo unflexibel / der hat sein Leben echt nicht im Griff / wie kann man nur so xxxx sein (beliebig viele Begriffe einsetzbar von A wie ängstlich bis Z wie zornig)! / die Leut‘ sind so egoistisch, dumm, unmoralisch, …“

Das katapultiert einen auf eine wundersame Weise aus dem eigenen Gefühlstief. Plötzlich fühlt man sich überlegen, moralisch höher gestellt: ICH bin viel besser drauf, ICH habe alles viel besser im Griff, ICH bin so viel cooler, ICH bin Gott-sei-Dank ja gaaaaanz anders etc. …

Speziell in diesen aktuellen und besonderen Zeiten kursieren sehr viele dieser Etikettierungen – auf beiden Seiten bzw. in allen Lagern.

Aber in Wirklichkeit ist es doch so: Je mehr du dich mit deinen Gedanken und Worten über andere erhoben hast, umso kleiner warst du in Wirklichkeit in jenem Moment. Du hast dir deine eigene Großartigkeit wieder zurechtzimmern müssen, indem du andere verurteilt, auf sie herabgeschaut und für dich „verkleinert“ hast – ohne zu wissen, warum sie so tun, wie sie tun.

Das ist ernüchternd und irgendwie beschämend.  

In Wahrheit ist niemand ist besser (klüger, vernünftiger, schöner, cooler, …)  als der/die andere. Uns verbindet doch viel mehr, als uns trennt. Wir haben andere Sichtweisen, andere Lebensmodelle. Und wer darf sagen, was richtig(er) oder gar besser ist? Darf ich den eigenen Maßstab bei anderen anlegen und sie dann verurteilen, weil sie meinen Werten und Ansichten nicht entsprechen? Jeder von uns hat seinen Weg und seine Bestimmung auf dieser Welt, also sollte er so leben dürfen, dass er erfahren kann, was er hier auf Erden zu erfahren gewählt hat.

Wenn wir uns mehr um uns selbst kümmern und die anderen lassen, wie sie sind, dann haben wir auch weniger Grund uns aufzuregen. Und ehrlich: was dich beim anderen so stört, ist doch in Wirklichkeit das, was du bei dir nicht siehst bzw. nicht sehen willst. Wie ein Spiegel reflektiert dieser Mensch deine blinden Flecken.
Wenn also das nächste Mal „so ein Besserwisser“ durch deine Gedanken huscht, dann frage dich, ob du selbst nicht auch solche Tendenzen hast. Denn unsere innere Einstellung manifestiert sich im Außen. Umso größer sollte unser Ansporn sein, eine wertschätzende Haltung einzunehmen. Wir kämen ohne Bekehrung oder Missionierung aus, könnten uns auf Augenhöhe entgegen gehen und jedes Gespräch würde eine respektvolle Schwingung bekommen.

Statt andere zu bewerten oder zu verurteilen, darf die Liebe als höchste Frequenz im Vordergrund stehen und wir können uns respektvoll und achtsam für uns und unsere Werte/Grenzen/Ansichten einsetzen.

Am Ende der Zeit erreichen wir alle dasselbe Level an Göttlichkeit. Der eine auf diese, die andere auf jene Art. Aber unser aller Weg führt zu einem gemeinsamen Ziel.

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