Raus aus dem Alltagsstress

von Renate Neuhold

Zuerst fühle ich den Stress überhaupt nicht. Ich denke, ich habe alles im Griff, alles ist okay. Dann bemerke ich das flache Atmen, das innere „Flirren“. Die Schultern sind hochgezogen, ich habe Kopfschmerzen. Ich kann keine fünf Minuten fokussiert an einer Sache dranbleiben, bin ungeduldig, leicht aggressiv, hab immer meine Uhr im Blick: Geht sich das aus? Habe ich noch genug Zeit? Ich hetze durch den Tag und glaube, wenn ich alles zügig erledige, habe ich endlich Zeit für mich.

 

Aber anstatt das dann auch wirklich zu tun, räume ich „noch schnell“ den Geschirrspüler aus, werfe „noch schnell“ die Wäsche in die Maschine, bevor ich an meiner Präsentation weiterschreibe und diverse Anrufe erledige. Ich verschiebe meine geplanten Ruhepausen, halte nicht inne, weil die To-Do-Liste voll ist mit Verpflichtungen, Erwartungen, Notwendigkeiten. Und kaum bin ich halbwegs durch die Liste durch, kommen schon neue Tasks, neue Erledigungen, vom Alltag und seinen Forderungen gar nicht zu reden.

In solchen Phasen kann ich oft nur schwer ein- oder durchschlafen, weil mir so viele Dinge durch den Kopf gehen. Am nächsten Morgen bin ich gerädert, brauche Zeit, um in die Gänge zu kommen und produktiv zu sein. Ich bin unkonzentriert, vergesslich, meine Motivation ist fast Null. Und dann melden sich zu allem Überfluss auch noch der Selbstzweifel und die Vorwürfe (Das habe ich (wieder) nicht geschafft. Wieso kriegen die anderen das alles unter einen Hut?) „verziert“ mit Verzweiflung und Frustration.

Kennst Du das auch? So oder so ähnlich geht es nämlich vielen Menschen.

Wir bemerken nicht, dass wir die Grenzen der Belastbarkeit schon längst überschritten haben. Unsere Welt ist schnell und laut, fordert Geschwindigkeit und prompte Erledigung(en). Wir sind mittlerweile so an dieses Tempo gewöhnt, dass uns gar nicht mehr auffällt, wie zackig wir oft unterwegs sind. Über einen langen Zeitraum hinweg kann der Organismus all den Druck und die Anstrengung ausgleichen.

Diese Balance (Homöostase) ist ein wichtiges Werkzeug für unsere Gesundheit. Irgendwann wird es aber auch dem bravsten Körper zu viel und er kann beim besten Willen keine Balance mehr herstellen. Er kommt mit dem tagtäglichen beruflichen und privaten Stress einfach nicht mehr zurecht. Erste Signale in Form von Schlafstörungen werden an uns gesandt. Meist ignorieren wir sie. Mit der Zeit kriegen wir immer stärkere Signale und es gesellen sich weitere „Störungen“ hinzu wie zum Beispiel regelmäßige Kopfschmerzen, Verspannungen, Hautausschläge, Magen/Darm- oder Herz-/Kreislauferkrankungen. Dein Nervenkostüm wird dünner, du bist nicht mehr so belastbar.

„Wenn Du es eilig hast, gehe langsam“, sagt Konfuzius.

Die beste Abhilfe schaffen wir, indem wir uns bewusst aus dieser Belastungsspirale rausnehmen. Pausen machen, entspannen, Stille suchen. Ich weiß aus der Arbeit mit meinen Klientinnen und Klienten (und von mir selbst), dass es manchmal sehr schwer ist, das im Alltag zu leben. Wir tappen immer wieder in diese Stress-Falle. Deshalb habe ich auch aus meiner eigenen Erfahrung erzählt. Der Alltag fordert uns zu gewissen Zeiten ganz besonders und Pausen stehen dann bei den meisten von uns ganz unten auf unser To Do Liste: Wann soll ich denn die „Entspannung“ jetzt auch noch unterbringen? Ich entspanne mich im Urlaub. Oder am Wochenende.

Das klingt zwar nach einem guten Vorsatz, läuft aber leider in die falsche Richtung. Unser Gehirn ist bequem, nutzt starke Nervenverbindungen, um schnell „Befehle“ weitergeben zu können. Wenn wir also Ruhephasen nicht regelmäßig praktizieren, dann ist das ähnlich hilfreich, wie wenn ich bei einer Erkrankung die Medizin nur ab und zu nach Lust und Laune einnehme. Das wird wahrscheinlich mein Leiden nur verlängern. Im Falle von Stress heißt das, dass wir es irgendwann kaum mehr schaffen, in eine tatsächliche Ruhe zu gelangen. Unser parasympathisches Nervensystem hat sich komplett zurückgezogen und lässt sich nur mit Mühe wieder aktivieren.

 

Daher hier an dieser Stelle der Aufruf, dich um deine regelmäßigen Entspannungs-Pausen, Ruheinseln, um Stille zu bemühen. Ich weiß, es ist erscheint schwer, aber es ist machbar. Es muss ja nicht gleich eine Stunde am Stück sein. Für den Anfang praktiziere einfach nur „kleine Schritte“. Halte zum Beispiel während des Tages immer wieder zwischen zwei Tätigkeiten inne. Bevor du deine nächste Aufgabe beginnst, schließe deine Augen, atme bewusst tief (bis in den Bauch) ein und aus, beobachte deinen Atemrhythmus für vier bis fünf Atemzüge (oder mehr, wenn es für dich passt), scanne dann deinen Körper auf Verspannungen. Sind die Schultern hochgezogen? Deine Stirn in Falten? Und dann lass bewusst los, lockere die Anspannung. Ganz am Schluss leite deine Aufmerksamkeit auf deine Fußsohlen und verweile so noch ein bisschen. Dann einmal fest ausatmen und die Augen öffnen.

Das nimmt nicht mal zwei Minuten deiner Zeit in Anspruch, hat aber einen wunderbar entspannenden Effekt. Dein Gehirn/Körper bekommt von dir das Signal, dass du entspannst und dass das Kortisol teilweise abgebaut werden kann. Quasi eine Mini–Gesundheits-Kur für dich. Am Anfang fällt es noch schwer. Der innere Schweinehund ist meist groß und stark. Aber mit der Zeit wird das Innehalten und Durchatmen ein Teil von dir. Du wirst das Ruhepausen einhalten schätzen und achtsamer mit dir umgehen. Und du wirst schneller bemerken, wenn du eine Auszeit vom Alltagsstress benötigst.

Ich habe zum Thema Stress und seine gesundheitlichen Auswirkungen im Jahr 2020 etliche Blog-Artikel verfasst. Lies gerne mal auf meiner Homepage nach. Dort findest du außerdem auch noch weitere Übungen, die du leicht in deinen Tag einbauen kannst. Melde dich bei mir, wenn du in Sachen „Umgang mit Alltagsstress“ gerne Unterstützung von mir hättest. Wir entwickeln gemeinsam sicher ein paar gute alltagstaugliche Strategien für dich.

Und ich werde mir jetzt eine Pause gönnen. 😉

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