Oft verkannt: Depression

von Laura Violetta aus CHI 04/20

In Zeiten wie diesen werden viele von Ängsten geplagt, egal ob Existenz- oder Verlustängste – unsere Psyche leidet enorm. Bereits vor der März 2020 wurde prognostiziert, dass Depressionen in wenigen Jahren zur zweithäufigsten Erkrankung der Welt aufrücken würden. Vor allem in der aktuellen Zeit ist es gut zu wissen, was dieser Begriff eigentlich umschreibt.

 

Der Begriff Depression stammt aus dem Französischen und bedeutet wörtlich „niedergedrückt“. Allgemein versteht man darunter ein Gefühl von Niedergeschlagenheit und Freudlosigkeit. Die Mehrheit der Menschen, die einen Psychotherapeuten aufsuchen, leidet unter depressiven Verstimmungen. Sie fühlen sich unmotiviert, in düsterer Stimmung und quasi dauerhaft erschöpft. In vielen Betrieben gibt es bereits zahlreiche Arbeitnehmer, die sich überfordert, ausgebrannt und erschöpft fühlen. Diese sogenannte Erschöpfungsdepression wird quasi als Vorstufe zum Burnout gesehen. Der Plot Twist dabei: Was oft als „Manager-Leiden“ betrachtet wird, kann jedoch jeden Menschen treffen. Denn nur jemand, der wirklich für etwas brennt, kann auch ausbrennen. Dann bleibt das Gefühl: Man hat alles gegeben und ist dabei an die eigenen Grenzen gestoßen.

Es gibt viele Gründe für die Entwicklung einer depressiven Seite: belastende Lebensereignisse, etwa während der Pflege eines Schwerkranken, durch einen schweren Unfall oder traumatischen Verlust einer nahestehenden Person, aber auch biografische Erfahrungen der Hilflosigkeit, eine schwere Erkrankung oder grenzüberschreitendes Verhalten anderer wie bei sexuellem oder psychischem Missbrauch können Auslöser markieren. Sogar organische Ursachen wie beispielsweise eine Schilddrüsenunterfunktion oder genetische Veranlagung findet man als mögliche Verursacher.

Laut dem Grazer Experten Robert Riedl setzen sich depressive Verstimmungen für unbewusste seelische Anliegen ein: „So können sie uns in ein suboptimales Schutzverhalten bringen, das uns – wie vermeidendes Fluchtverhalten bei Angst – unwillkürlich zum Rückzug und zu Abschottung zwingt“, berichtet der Fachmann aus der psychotherapeutischen Praxis. Bei einer Depression liegt der Fokus der eigenen Aufmerksamkeit auf dem Negativen: dadurch nimmt man nur noch Problematisches wahr. Betroffenen erscheint das Umfeld als reine Problemwelt: Ihre Gedanken kreisen Tag und Nacht um Themen, für die sich in ihrem (depressiven) Erleben keine Lösungsideen finden lassen. Durch die depressive Verstimmung scheint es, als würde nichts mehr gelingen. Dieser depressive Problemfokus rückt jeden Lösungshorizont aus dem Sichtfeld.

Neben der Erschöpfungsdepression kennen Fachleute auch eine bipolare Depression, bei der es zu einem Wechsel von hochmotivierten und depressiven Episoden kommt. Da die Betroffenen meist nur in depressiven Phasen Hilfe aufsuchen, wird anfangs eine einfache Depression diagnostiziert. Merkmale der manischen Phase sind Hochgefühle, Hyperaktivität, Hemmungslosigkeit, beispielsweise beim Einkauf oder Alkoholkonsum.

Ich vs. Es

Robert Riedl unterscheidet zwischen der Ich-Seite, die bewusst durch Willenskraft entscheidet, und der Es-Seite, die unbewusste Entscheidungen trifft, auf die das Bewusstsein keinen Einfluss hat. Üblicherweise arbeiten diese beiden Seiten ausgeglichen im Einklang zusammen. Doch bei einer depressiven Erkrankung übernimmt „ES“ die Kontrolle und erscheint mächtiger als das, was der Mensch weiß und beabsichtigt. Dadurch erleben sich Betroffene oft als willensschwach oder inkompetent und werden zusätzlich von Selbstzweifeln geplagt: Wie soll mir jemand helfen können, wenn ich selbst nicht schaffe, das zu tun, was ich möchte? Eine Situation, die es erschwert, sich professionelle Hilfe zu suchen.

Wie erkennt man eine Depression?

Die häufigsten Anzeichen für depressive Leidenszustände sind vor allem der Verlust von Lebensfreude, Interessenlosigkeit und geringe Leistungsfähigkeit. Betroffene werden zunehmend von einem Gefühl der Antriebslosigkeit, Lustlosigkeit und Leere beherrscht. Zudem kommt es bei einer Depression auch zu enormer Verringerung des eigenen Selbstwerts.

Depressive Erkrankungen können sich bei Frauen und Männern unterschiedlich bemerkbar machen. Während Frauen eher über Antriebslosigkeit, Lustlosigkeit und Müdigkeit klagen, tendieren Männer eher zu aufbrausendem aggressiven Verhalten. Frauen werden zwar häufiger als depressiv diagnostiziert, die Suizidrate unter Männern ist allerdings dreimal so hoch. In diesem Fall kann Selbstmord als extremste Form einer Aggression gegen sich selbst gesehen werden.

Dazu kommt, dass Menschen mit depressiven Verstimmungen oft von Schlafstörungen geplagt werden. Durch den psychischen Leidensdruck aktiviert der Körper die Stresshormone Adrenalin und Cortisol, die die wichtigen Schlafhormone blockieren. Oft wird auch über körperliche Beschwerden wie Nackenverspannungen, Kopf-, Rücken- oder Muskelschmerzen und unspezifische Erschöpfungszustände, Appetitlosigkeit und unerwünschtem Gewichtsverlust geklagt.

Das Umfeld

Depressionen belasten nicht nur die Betroffenen, sondern auch ihr engstes Umfeld. Partnerschaften und Freundschaften gehen mitunter in die Brüche, weil die Angehörigen sich zurückgestoßen fühlen. Dabei kommt es nicht selten zu unlösbaren Konflikten. Vor allem die Kinder von depressiven Eltern leiden. Depressive Menschen lassen andere oft hilflos zurück, weil sie das Bemühen von anderen sehr schwer als tatsächliche Hilfe erleben können.

In der Zeit des Lockdowns sollen doppelt so viele Österreicher/-innen von Angststörungen betroffen gewesen sein als zuvor. Kein Wunder: Krisenzeiten sind immer auch Umbruchzeiten in eine neue Etappe. Damit verbunden tauchen viele Unsicherheiten und Zukunftssorgen auf. Wie Angst eine lebenswichtige Emotion des Menschen ist, um ihn zu schützen, setzen sich auch Wut und Trauer im Grunde für unser Überleben ein. Die C-Krise hat durch die lange Zeit der sozialen Isolation, durch Verlust von Arbeitsplatz, von gewohntem Lebensstandard, Krankheit oder gar den Tod eines nahestehenden Menschen für viele belastende Emotionen entstehen lassen – Verlusterfahrungen, Selbstzweifel und das Gefühl, im Leben falsche Entscheidungen getroffen zu haben, sind nur einige davon.

Was tun bei Depression?

Depressive Leidenserkrankungen lassen sich sehr gut psychotherapeutisch behandeln, aber da sich Betroffene oft wert- und nutzlos fühlen oder sich selbst die Schuld für ihre Situation geben, ist es in fortgeschrittener depressiven Phase schwierig, professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen.

Robert Riedl arbeitet in seiner psychotherapeutischen Praxis mit selbsthypnotischen Imaginationen, mit deren Hilfe Betroffene lernen, die depressive Dynamik aus Gefühlen, Gedanken oder körperlichen Beschwerden zu durchbrechen. Die helle Seite der Seele wirdgestärkt, um so die düstere Seite zu schwächen und Hoffnung und Zuversicht wiederzuerwecken. Außerdem lernen Betroffene in der Therapie Lebenswünsche und Zukunftsvorstellungen neu zu bewerten und Depressionen frühzeitig zu erkennen, um bewusst entgegenzusteuern …


Den ganzen Artikel kannst du in CHI 04/20 nachlesen!

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