Kirschenfee

Mitten im Weinviertel, auf den Hügeln vor der zweitkleinsten Stadt Österreichs, in Schrattenthal, gibt es einen alten Kirschgarten, der eine besondere Geschichte erzählt.

An die 2.000 Kirschbäume stehen in Schrattenthal auf knapp fünf Hektar und haben in den vergangenen 15 Jahren einen tiefen Winterschlaf gehalten. Vor zwei Jahren hat die junge Landschaftsarchitektin Andrea Schubert auf kreative Weise begonnen, dem zauberhaften Kirschgarten der Familie neues Leben einzuhauchen.

 

„Meine Großeltern haben die ersten Bäume vor mehr als 40 Jahren, und meine Eltern dann weitere vor cirka 30 Jahren gepflanzt. Die prachtvollen Kirschenbäume haben wir zuletzt allerdings vor etwa 15 Jahren wirtschaftlich nutzen und vermarkten können“, erzählt die Kirschenfee, denn wie bei vielen brachte der EU-Beitritt billigere Waren nach Österreich, sodass es der Familie nicht mehr gelang, Abnehmer zu finden, um die Früchte kostendeckend zu verkaufen. Viele Jahre lag der wunderschöne Garten mit seinen großen dunkelroten Herzkirschen brach.

„Schon lange wollte ich wieder Leben in den Garten bringen, ihm die Wertschätzung geben, die er verdient, und ihn auf schonende Weise nutzbar machen“, erzählt Andrea Schubert von ihrem kreativen Projekt. „Vor fünf Jahren haben wir dann die „Kirschbaumpatenschaften“ ins Leben gerufen und einen der beiden Gärten für Kirschbegeisterte geöffnet.

Die Baumpatenschaft

Die Idee ist simpel, der Effekt wunderbar. Mit einer kleinen Miete können Kirschliebhaber ein Jahr lang die Baumpatenschaft für einen Baum ihrer Wahl übernehmen. Mitmachen und Baumpate werden kann jeder, der Kirschen liebt und auf wertvolle Art und Weise ein lokales nachhaltiges Projekt unterstützen möchte. Im Gegenzug können die Paten das ganze Jahr über am Leben im Kirschgarten teilhaben und köstliche Kirschen ernten.

Mit einem fröhlichen Kirschblütenfest lädt Andrea Schubert ein, die beeindruckende Kirschblüte zu genießen, im Sommer können dann an zwei Erntetagen die Früchte des Paten-Baums geerntet werden.

„Ich versorge die Paten regelmäßig mit Nachrichten aus dem Kirschengarten und kümmere mich um die Pflege und Erhaltung des alten Kulturgartens. Wir haben im Vorjahr beispielsweise einen Imker gefunden, der seine Bienenstöcke in unserem Naturgarten aufstellte. Daraus entstand köstlicher Kirschblütenhonig, der die Geschmackssinne verzaubert. Diese Freude muss ich natürlich mit unseren Baumpaten teilen!“, begeistert sich die engagierte Kirschenfee.

Die Herzkirschen

Zwei unterschiedliche Arten von Kirschbäumen wachsen in den Schrattenthaler Gärten: Die Sorten Germersdorfer und Van. Die Germersdorfer Kirsche soll als Zufallssämling im 19. Jahrhundert in Germersdorf bei Guben in Schlesien entdeckt worden sein und hat sich aufgrund ihrer Eigenschaften bald großflächig verbreitet. Die Frucht ist groß, in guten Jahren sogar sehr groß, herzförmig und von köstlichem Geschmack. Die Früchte der Sorte Van hingegen sind etwas kleiner, dafür aber süßer.

Der Kirschengarten wird von Andrea Schubert naturnah gepflegt, im Winter erhalten die Bäume ihren Erziehungsschnitt. Der obere Bereich ist ein idyllischer Naturgarten – eine Ruhezone mit meterhohem Gras, Ameisenhaufen, Bienen und allerlei anderen Tieren. Vor allem die Bienen sind wichtige Gäste im Kirschengarten, übernehmen sie doch die Bestäubungsarbeit, damit eine reiche Ernte gesichert ist.

Die Kirschblüte

Im April stand der romantische Kirschgarten wieder in voller Blütenpracht. „Es ist für uns nicht nur der traumhaften Märchenstimmung wegen so ein besonderer Moment, denn jetzt haben sich die Baumpaten ihre Bäume ausgesucht. Für mich als Initiatorin des Projekts ist es da besonders schön mitzuerleben, wie genussvoll die Baumpatinnen und -paten mit Freunden und Familie die Kirschblüte und das Kirschblütenfest genießen. Eine begeisterte Kirschbaumpatin sagte einmal zu mir: „Ich war zwar schon mal in Japan bei der Kirschblüte, aber dass es so etwas Schönes auch in Österreich gibt, hätte ich mir wahrlich nicht gedacht!“, freut sich Andrea über so viel Begeisterung.

Die Ernte

Im Juni haben die Baumpaten bei der Kirschenernte dann Gelegenheit ihre Bäume selbst zu bepflücken. An die drei bis vier Kilo Kirschen trägt jeder Baum im Durchschnitt. Für die Patinnen und Paten ist es etwas ganz Besonderes, die „eigenen“ Kirschen zu pflücken und anschließend zu köstlichem Kuchen, Marmelade und Saft zu verarbeiten. Dabei sorgt Andrea Schubert für reichlich Inspiration bei der Ernte. Aber auch Kurzentschlossene haben im Juni noch die Chance auf ihre ganz persönliche Kirschernte und können vor Ort noch schnell die Patenschaft übernehmen, und auch gleich die Kirschen pflücken. Denn Andrea Schubert geht auf Nummer Sicher und pflegt nicht nur die Bäume, die bereits einen Paten gefunden haben.

Was für eine wunderbare Idee zum Erhalt von Wertvollem. Wieder mal ein schönes Beispiel der Kraft der Gemeinschaft!

www.kirsch-me.com


Artikel aus Wein4tlerin © Lilly Dippold

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