Frau-sein – eine Liebeserklärung

von Martina Pokorny

Ich habe mir vorgenommen über mein Frau-sein nachzudenken, darüber was es mir bedeutet Frau zu sein.

 

Es ist Wochenende und wir sind mit unseren beiden ältesten Enkelkindern unterwegs. Und da passiert es, dass ausgerechnet unsere Enkelin Victoria, dieses zarte dreijährige Wesen, mir die Inspiration dazu liefert. So zart an Jahren und jung an Lebenserfahrung sie ist, führt sie uns gelebte Weiblichkeit vor Augen oder besser gesagt das, was ich darunter verstehe. Sie hat ein solch natürliches Vertrauen ins Leben und in die Menschen, dass sie bei all ihrer Zartheit auf berührende Weise Mut und Kraft ausstrahlt. Gleichzeitig ist sie voller Zärtlichkeit und Feingefühl. Die Art wie sie ihren zwei Jahre älteren Bruder zu trösten versteht, ihm Mut macht oder Unterstützung anbietet, ist aufs Schönste fürsorglich, ja mütterlich, und zeugt von tief empathischen Fähigkeiten.

Dieses geliebte kleine Mädchen ist für mich der lebendige Beweis, dass Weiblichkeit in uns angelegt ist. Es bestätigt meine Sicht, dass Frauen und Männer selbstverständlich gleichwertig sind, uns dies jedoch nicht zu Gleichmacherei verleiten soll. Wir leben in einer polaren Welt, für mich stellen Frauen und Männer ebenfalls zwei Pole dar – oder vielleicht deutlicher gesagt – zwei Seiten einer Medaille.

Natürlich spielt auch Erziehung eine Rolle, doch mir geht es hier mehr um unsere ureigensten geschlechtsspezifischen Anteile. Zig Generationen von Frauen prägen unser Erbgut. Unsere Ahnfrauen übertragen uns sowohl ihre Fähigkeit Zusammengehörigkeit und Gemeinschaft zu fördern, Fürsorge zu tragen, Verbindungen zu schaffen und zu pflegen, zu führen ohne Führungsanspruch zu erheben, als auch all den Schmerz und die Wut über jahrhundertelange Unterdrückung, Diffamierung und Verleugnung der weiblichen Kraft.

Es liegt an uns, an uns Frauen, ob wir zulassen, dass letzteres uns bremst und hemmt, ob wir zu verbissenen Kämpferinnen gegen alles Männliche werden oder ob wir unsere Weiblichkeit in ihrer Ursprünglichkeit annehmen und leben. Der liebevoll ausgleichenden Frauenkraft meiner Mutter, deren Kindheit vom zweiten Weltkrieg geprägt war, verdanke ich, dass ich trotz patriarchaler Prägung meine Weiblichkeit unbeschadet entwickeln konnte und leben kann.

Die Seele meiner Enkeltochter Victoria zeigt sich zutiefst weiblich und ich, als eine ihrer Ahnfrauen, werde alles in meiner Macht stehende dazu beitragen, dass sie ihr Frau-sein leben kann, dass sie so lebensfördernd und -bejahend wie sie jetzt ist, zu der Frau heranreifen kann, als die sie gedacht ist –um Segen für sich und um sich verbreiten zu können.

Ich verneige mich in Dankbarkeit vor der Urmutter, vor meiner geliebten Mutter und vor dir, mein kleines weises Mädchen.

In Liebe deine Großmutter 

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